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Kita-Offboarding: Warum auch der letzte Eindruck zählt

Dankesrede, Blumenstrauß und schnelles Händeschütteln- manchmal betretenes Schweigen oder sogar die Weigerung eine Verabschiedungsfeier durchzuführen oder an ihr teilzunehmen - Wenn Mitarbeiterinnen oder Leitungskräfte die Kita verlassen, egal ob sie in den Ruhestand gehen oder einen anderen beruflichen Weg einschlagen, ist dies oft mit Unsicherheit und negativen Gefühlen bei allen Beteiligten verbunden.

Während Träger und Führungskräfte vor Ort* dem „On-Boarding“ neuer Mitarbeiter*innen in den letzten Jahren immer mehr Aufmerksamkeit geschenkt haben, findet das Ausscheiden von Kolleg*innen oft weniger geplant und eher nebenher statt. Dabei hat dieser letzte Eindruck, weitreichende Konsequenzen – nicht nur für die ausscheidenden Kolleg*in, sondern auch für die Zusammenarbeit im Team, das Image der Kita und die künftige Einarbeitung neuer Kolleg*innen. Letztlich kann sich ein gut oder schlecht verlaufener Abschied sich auch auf die Zusammenarbeit mit den Eltern und die Kinder auswirken.

Warum ein durchdachtes Offboarding in der Kita immer wichtiger wird?

In den nächsten gut zehn Jahren geht in Deutschland umgerechnet die Bevölkerung von Bayern und Schleswig-Holstein zusammen in den Ruhestand. Laut Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft verlassen ca.16 Millionen sogenannten „Baby-Boomer“ bis 2036 den Arbeitsmarkt. Sie machen auch einen erheblichen Anteil des pädagogischen Kita-Personals aus. Knapp ein Drittel der Fachkräfte sind aktuell 50 Jahre und älter. (Zahlen des Fachkräftebarometer frühe Bildung).

Hinzu kommt das Mitarbeiter*innen eine zunehmende Wechselbereitschaft zeigen. Rund ein Drittel der Mitarbeitenden in der Bundesrepublik sind Job-Wechsel-bereit. Dies gilt auch für den Bereich der Kita-Mitarbeitenden. Rein statistisch werden Abschiedsprozesse also immer häufiger stattfinden.

Worum geht es konkret?

Ein gezieltes Offboarding oder Exit-Management umfasst mehr als die Übergabe von Schlüsseln, das Sperren von Passwörtern und die Rückgabe von Arbeitsmaterialien. Es ist eine komplexe Führungsaufgabe. Ein gelungenes Offboarding sichert den Wissenstransfer und nimmt dabei die Bedürfnisse der Kolleg*in, die die Einrichtung verlässt, genauso in den Blick, wie die Bedarfe des Teams und des Trägers. Darüber hinaus wird der Abschieds-Prozess durch ein gezieltes und transparentes Offboarding für alle Beteiligten in geregelte Bahnen gelenkt. Dies schafft Raum für zwischenmenschliche Aspekte und erleichtert es, die neue Situation auch emotional zu meistern.

Dabei ist es entscheidend den Abschiedsprozess aktiv und wertschätzend für alle Beteiligten zu gestalten, auch wenn die Mitarbeiterin unzufrieden ist und gekündigt hat oder ihr gekündigt wurde. „Aus den Augen aus dem Sinn“ ist hier im Sinne der Institution zu kurz gedacht. Mitarbeiterinnen die ihre Unzufriedenheit intern und/oder in der Öffentlichkeit laut kundtun, können Unruhe im Team und einen massiven Imageschaden verursachen. Ein professionelles, wertschätzendes Off-Boarding erhöht die Chance, dass scheidende Fachkräfte mit Vorgesetzten oder Kolleg*innen kooperieren und sich loyal verhalten – im Moment der Trennung und darüber hinaus. Denn ein guter letzter Eindruck bleibt für die scheidende Mitarbeiter*in im Gedächtnis und überlagert in vielen Fällen frühere vielleicht negative Erfahrungen. 

Insgesamt trägt ein gutes, professionelles Offboarding zu einer positiven Unternehmenskultur bei. Auch wenn vorher nicht alles optimal gelaufen ist, kann ein gut gestalteter Abschieds-Prozess dazu führen, dass die Kita nach innen und außen als ein attraktiver Arbeitsplatz wahrgenommen wird, was die Stimmung im Team hebt, und die Rekrutierung neuer Mitarbeiterinnen erleichtert. In einer Zeit, in der Fachkräfte im Bereich der frühkindlichen Bildung stark umworben werden, und Arbeitgeber-Bewertungsportale wie beispielsweise Kununu von vielen genutzt und gelesen werden, ein besonders wichtiger Aspekt.

Welche Bestandteile spielen beim Offboarding eine Rolle?

Frühzeitige Kommunikation: Um sicherzustellen, dass alle notwendigen organisatorischen Schritte erledigt und Zeitfenster für die konkrete Verabschiedung mit Kindern, Eltern und Kolleginnen eingeplant werden können, sollte die Kommunikation mit der ausscheidenden Mitarbeiterin und dem Team möglich frühzeitig beginnen. Dies ermöglicht es allen Beteiligten den Prozess organisatorisch mitgestalten zu können sich auch emotional auf die Situation einzustellen. Um Sicherheit zu schaffen, sollte neben der Mitteilung über den Weggang einer Kollegin und das Ausstiegsdatum, auch Überlegungen zur Neubesetzung oder Vertretungsregelungen thematisiert werden.

Eine saubere Übergabe – Wissenstransfer: Ein zentraler Aspekt des Offboardings ist der Wissenstransfer. Die ausscheidende Mitarbeiterin muss die Möglichkeit haben, ihre Aufgaben und Verantwortlichkeiten an Nachfolger*innen zu übergeben. Dies kann durch Übergabegespräche und durch schriftliche Dokumentationen geschehen. Je mehr die scheidende Kollegin dabei das Gefühl hat, ihre geleistete Arbeit wird wertgeschätzt, umso höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie in der Kita kein Chaos hinterlässt, sondern die Übergabe konstruktiv gestaltet.

Je nach Rolle und Zugehörigkeitsdauer können sich die Übergabe-Aspekte deutlich unterscheiden. Eine stellvertretende Kita-Leitung, die nach langjähriger Zugehörigkeit das Team verlässt, hat sicherlich andere Schwerpunkte und Übergabebedarfe als eine nur kurze Zeit in der Kita tätige Unterstützungskraft. Es empfiehlt sich, beispielsweise im Rahmen einer Dienstbesprechung frühzeitig gemeinsam zu überlegen, welches Wissen an welche Kolleg*innen weitergegeben werden muss. Geht es z.B. um Beobachtungen der Kinder oder gibt es wichtige Aspekte in der Zusammenarbeit mit den Familien? Hat sich die Mitarbeitende besonderes Wissen angeeignet, das weitergegeben werden soll? Im gemeinsamen Gespräch haben alle Team-Mitglieder die Möglichkeit, sich Gedanken zu machen und sich einzubringen. Im Anschluss daran müssen die Themen gesammelt, priorisiert und bearbeitet werden. Dabei ist es notwendig konkrete Zuständigkeiten und Zeitfenster festzulegen.

Besonders relevant wird ein strukturiertes Offboarding wenn eine langjährige Führungskraft die Kita verlässt. In diesem Fall sind die Auswirkungen für das Team, die Zusammenarbeit mit den Familien und vor allem für die zukünftige Führungskraft besonders deutlich zu spüren. Um explizites Fachwissen und speziell implizites Erfahrungs- und Handlungswissen weiterzugeben und Unsicherheit im Team zu vermeiden, braucht es neben einer zeitlichen Überschneidung einen (extern) begleiteten Übergangsprozess, in dem auch der Träger eingebunden ist. Ziel ist es die Handlungssicherheit alles Beteiligten im Übergang zu erhalten. In der Praxis kann dieser Prozess beispielsweise von einer Fachberater*in begleitet und moderiert werden.

Abschiedsrituale: Wenn Kolleg*innen die Kita verlassen, ist das nicht nur für das Team und die Trägerebene das Loslassen von vertrauten Bindungen, sondern auch für Eltern und für Kita-Kinder. Alle drei Personengruppen brauchen, gerade wenn eine Mitarbeiterin länger in der Kita tätig war, die Möglichkeit zur Verabschiedung.

Abschiedsrituale auf Erwachsenen-Ebene wie beispielsweise eine kleine Verabschiedungsfeier (zu der ggf. auch ehemalige Kolleg*innen und Eltern eingeladen sind) bietet die Möglichkeit, Gefühle in Bezug auf den bevorstehenden Wechsel zu verarbeiten. So wird es ermöglicht, Traurigkeit über den Weggang oder auch Dank und Freude über die gemeinsamen Erfahrungen auszudrücken. Dieser Prozess kann helfen, emotionale Belastungen zu reduzieren und ein Gefühl des Abschlusses zu schaffen.

Durch Abschiedsrituale wird der Wert, den die Mitarbeiter*innen für die Organisation und ihre Kollegen haben, für alle deutlich sichtbar. Wenn Mitarbeiterinnen für ihren Beitrag gewürdigt werden, stärkt dies nicht nur ihr Selbstwertgefühl, sondern ist ein Signal an alle. Dies fördert das positive emotionales Klima, was gerade in Übergangssituationen sehr wichtig ist. Die Wertschätzung trägt dazu bei, dass sich alle Mitarbeiter*innen respektiert und geschätzt fühlen. Das stärkt zudem ihre emotionale Gesundheit und die Bindung im Team.

Ein Abschiedsritual könnte auch ein gemeinsamer Abschieds-Brief/Aushang von der Führungskraft vor Ort und der Kolleg*in die die Kita verlässt, sein. So werden neben den inhaltlichen und organisatorischen Informationen auch ein einvernehmliches Vorgehen signalisiert.

Abschiedsrituale mit den Kindern sollten das gemeinsame Tun in den Vordergrund rücken. „Welches Lied oder Spiel wollt ihr bei der Verabschiedung mit … nochmal spielen?“ „Habt ihre eine Idee für ein (selbstgemachtes) Geschenk?“ Könnten die Ausgangsfragen für die Planung mit den Kindern sein.

Feedback-Gespräche oder Exit-Gespräche: Durch das gezielte Einholen von Rückmeldungen über die Arbeitsbedingungen, die Teamdynamik und die allgemeinen Abläufe in der Kita können Führungskräfte wichtige Erkenntnisse gewinnen, die zur Verbesserung der Arbeitsumgebung beitragen. Eine positive Feedback-Kultur zeigt der scheidenden Mitarbeiterin, dass ihre Meinung geschätzt wird, was wiederum die Zufriedenheit der verbleibenden Mitarbeiter*innen erhöhen kann.

Feedback-Gespräche sollten vertraulich sein und sowohl positive als auch negative Aspekte der Arbeitserfahrung beleuchten. Da es auch um Kritik an der direkten Vorgesetzten gehen kann, kann es sinnvoll sein, dieses Gespräch von einer nicht direkt zur Kita gehörenden Person durchführen zu lassen. Eine Kolleg*in aus der Verwaltung, jemand vom Betriebsrat oder der Mitarbeitervertretung, eine Fachberatung, vielleicht auch eine befreundete Kita-Leitung können eine neutralere Person sein. Die direkte Vorgesetzte sollte dafür das Gespräch mit dieser Person vorplanen. Welche Schlüsselbereiche sollten im Gespräch beleuchtet werden? Welche konkreten Rückmeldungen würden die Kita weiterbringen? Welche die Führungskraft? Wichtig ist dabei, dass das Zeugnis für die ausscheidende Kollegin bereits vor dem Gespräch erstellt und übergeben wurde, da Kritik sonst aus Angst vor schlechter Bewertung zurückgehalten werden könnte.

Ziel des Gespräches ist es, Feedback zu sammeln, Erfahrungen auszutauschen und den Abschied wertschätzend zu gestalten. Folgende Themenbereiche könnten dabei angesprochen werden:

  • Fragen nach den positiven/kritischen Aspekten der Arbeit: Was hat der Mitarbeiterin gefallen? Welche Herausforderungen gab es und wie wurden sie vielleicht überwunden?
  • Einflussfaktoren und Motivation für den Wechsel:  Was hat die Mitarbeitende dazu bewegt, die Kita zu verlassen?
  • Fragen zur Unternehmenskultur und ob sich die Mitarbeiterin wohlgefühlt hat.
  • Feedback zu der/den Führungskräften und dem Führungsstil
  • Fragen zu den Ressourcen und zur Unterstützung: Wurden die zur Aufgabenerfüllung notwendigen Ressourcen und eine angemessene Unterstützung angeboten?
  • Empfehlungen: Welche Vorschläge hat die Kollegin, wie Prozesse verbessert werden könnten. Welche Maßnahmen könnten aus ihrer Sicht die Mitarbeiterzufriedenheit und -bindung erhöhen?

Rückkehrmöglichkeiten anbieten: Eine positive Erfahrung beim Verlassen der Kita kann auch dazu führen, dass der Mitarbeiter die Einrichtung in guter Erinnerung behält und möglicherweise in der Zukunft zurückkehren möchte. Leistungsträgerinnen sollte eine Rückkehrmöglichkeit von Seiten des Trägers oder der Leitung angeboten werden. Idee/Tipp: Eine „Rückkehr-Karte“ mit ins Abschieds-Geschenk legen. Das macht die Rückkehroption für die Kollegin, die die Einrichtung verlässt, „haltbar“ und erleichtert das Anknüpfen zu einem späteren Zeitpunkt.

Insgesamt ist das Exit-Gespräch ein strategisches Instrument, das nicht nur dazu dient, Feedback zu sammeln, sondern auch die Beziehung zwischen der Kita und ihren ehemaligen Mitarbeitern zu stärken. In manchen Fällen ist dieses Gespräch auch die letzte Chance für ein versöhnliches Ende der Zusammenarbeit. Das Eingeständnis eigener Fehler von Seiten des Trägers und der Führungskräfte beweist dabei Kritikfähigkeit und den Willen zur Verbesserung.

Insgesamt steht die Auseinandersetzung mit dem gesamten Themenbereich Offboarding gerade in der Kita-Landschaft sicherlich noch am Anfang. Da es aus unserer Sicht den klassischen Verabschiedungs- oder Übergangs-Prozess nicht gibt, möchten wir mit diesem Artikel alle Verantwortlichen ermutigen sich auf gute alte heuristische Weise: mit Versuch und (vielleicht) Irrtum, mit Reflektieren und Weiterentwickeln auf einen eigenen Weg zu einem individuellen Offboarding-Handwerkskoffer zu machen.

* Im Artikel sprechen wir bewusst nicht von „Kita-Leitungen“ sondern von „Führungskräften vor Ort“. Wir möchten damit betonen, dass es bei der Vorgesetzten-Funktion in der Kita nicht in erster Linie um jemanden geht, der Aufträge „Weiterleitet“, sondern dass es sich um eine komplexe Führungsaufgabe handelt, im Spannungsfeld von Mitarbeiter*innenführung, Bedarfen von Familien und Kindern, gesetzlichem Auftrag, Besonderheiten des Sozialraumes uvm.

Autorinnen

Franziska Schubert-Suffrian
  • Projektleiterin Kita-Mentoring
Kirsten Greiß
  • Mentorin im Projekt Kita-Mentoring
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